Vorweggenommene Erbfolge & Schenkungen

  • Vorweggenommene Erbfolge – was ist das?

  • Vorweggenommene Erbfolge – Gestaltungsoptionen in der Praxis

  • Schenkungssteuer umgehen

  • Ketttenschenkung


Vorweggenommene Erbfolge – was ist das?

Anstatt Vermögenswerte erst nach dem eigenen Tod durch ein Testament bzw. Erbvertrag oder die gesetzliche Erbfolge an die nächste Generation weiterzugeben, möchten immer mehr Menschen Ihre Angehörigen bereits zu Lebzeiten über die vorweggenommene Erbfolge unterstützen. Dies gilt vor allem für Eltern mit Kindern oder Enkelkindern.

Als vorweggenommene Erbfolge wird gemeinhin der Vorgang bezeichnet, bei dem ein zukünftiger Erblasser bereits zu Lebzeiten Vermögen auf seine späteren Erben oder andere Personen überträgt.

Die angestrebte Erbfolge des Erblassers wird also wortwörtlich „vorweggenommen“. Erbe wird formaljuristisch jedoch keiner der Begünstigten, obwohl es die Begrifflichkeit der vorweggenommenen Erbfolge nahelegt.

Die Vermögensübertragung kann in Form einer Schenkung (Schenkungsvertrag), über einen sog. Übertragungsvertrag oder eine Kombination aus beidem erfolgen. Worin genau der Unterschied zwischen einem Schenkungsvertrag und einem Übertragungsvertrag besteht, welche grundsätzlichen Möglichkeiten bestehen, um Schenkungssteuer zu sparen, und was im Kontext der vorweggenommenen Erbfolge sonst noch zu beachten ist, wird nachfolgend erläutert.


Vorweggenommene Erbfolge – Gestaltungsoptionen in der Praxis

Für die Weitergabe von Vermögenswerten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ist grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Vertragsformen zu unterscheiden: dem Schenkungsvertrag und dem Übertragungsvertrag.

Ein Schenkungsvertrag ist ein Vertrag zwischen zwei Vertragsparteien (Schenker und Beschenkter) bei dem die Seite des Schenkers dem Beschenkten ausgewählte Vermögenswerte (Schenkungsgegenstand) ohne Gegenleistung überlässt, § 516 BGB.

Für einen gültigen Schenkungsvertrag ist von beiden Seiten eine übereinstimmende Willenserklärung abzugeben. Eine Schenkung muss grundsätzlich notariell beurkundet werden, es sei denn, sie ist bereits vollzogen. Dann gilt der Formmangel als geheilt und die Schenkung ist auch ohne offiziellen, schriftlichen Schenkungsvertrag gültig, § 518 BGB.

Im Gegensatz dazu ist ein Übertragungsvertrag ein Vertrag zwischen zwei Vertragsparteien, bei dem die Übertragung von Vermögenswerten, von einer Partei auf die andere, an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. In Abgrenzung zur Schenkung erfolgt die Weitergabe der Vermögenswerte bei einem Übertragungsvertrag demnach unter Erbringung einer Gegenleistung. Wie ein Schenkungsvertrag bedarf ein Übertragungsvertrag der Schriftform und ist notariell zu beurkunden.

Für die Übertragung von Vermögenswerten ergeben sich in der Praxis daher drei grundsätzliche vertragliche Ausgestaltungsformen:

  1. Schenkungsvertrag

  2. Übertragungsvertrag

  3. Kombination aus Schenkungsvertrag und Übertragungsvertrag

Schauen wir uns die zentralen Vor- und Nachteile der drei Varianten einmal etwas genauer an:

Freibeträge

Für Schenkungen existieren gesetzliche Schenkungssteuerfreibeträge, § 16 ErbStG. Das heißt, mit einem Schenkungsvertrag können Vermögenswerte bis zu einem bestimmten Betrag alle 10 Jahre schenkungssteuerfrei an Angehörige weitergegeben werden. In welchem Ausmaß Schenkungen steuerfrei sind, hängt vom Verwandtschaftsgrad von Schenker und Beschenktem ab. Das kluge Ausschöpfen von Schenkungssteuerfreibeträgen sollte in die Überlegungen für eine kluge Vertragsgestaltung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge daher in jedem Fall einbezogen werden.

Verringerung der steuerlichen Bemessungsgrundlage

Neben den Vorzügen steuerlicher Freibeträge sind bei einem Schenkungsvertrag allerdings weitere, weniger vorteilhafte Aspekte zu berücksichtigen.

Das entscheidende Charakteristikum des Schenkungsvertrags im Kontext der vorweggenommenen Erbfolge ist die fehlende Gegenleistung des Beschenkten. Dies hat zur Folge, dass die zu verschenkenden Vermögenswerte stets in vollem Umfang in die Bemessungsgrundlage der Schenkungssteuer einfließen und damit oftmals eine vermeidbare schenkungssteuerliche Belastung entsteht.

Hier hat der Übertragungsvertrag einen klaren Vorteil gegenüber dem Schenkungsvertrag: Die Vermögenswerte der übertragenden Vertragspartei, z. B. der Eltern, können mit Gegenleistungen der empfangenden Vertragspartei, z. B. der Kinder, verrechnet werden. Hierdurch kann die Bemessungsgrundlage der Schenkungssteuer und damit die zu zahlende Schenkungssteuer selbst reduziert oder sogar gänzlich vermieden werden.

Möchten Sie beispielsweise Ihr Haus vorzeitig auf Ihre Kinder, Enkelkinder oder andere Angehörige überschreiben (Haus überschreiben), kann die steuerliche Belastung u. a. dadurch reduziert werden, dass Ihnen als übertragende Partei ein lebenslanges Wohnrecht bzw. Nießbrauchrecht als Gegenleistung gewährt wird. Ein anderes Beispiel für eine Gegenleistung wäre die vertragliche Zusicherung späterer Pflege- oder anderer Dienstleistungen.

10-Jahres-Frist

Ein weiterer Vorteil des Übertragungsvertrags: Es ist keine 10-Jahres-Frist zu berücksichtigen. Einmal übertragene Vermögenswerte sind vor dem Zugriff durch Dritte geschützt, auch dann, wenn die Vermögensübertragung in den 10 Jahren vor dem Erbfall durchgeführt wurde.

Bei einem Schenkungsvertrag ist dies nicht der Fall. Hier besteht die Gefahr, dass verschenkte Vermögenswerte nachträglich zum sog. fiktiven Nachlass hinzugerechnet werden, sollte eine Schenkung innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgt sein. Infolgedessen können Angehörige einen Pflichtteilergänzungsanspruch gegenüber dem Erben (bzw. dem Beschenkten) haben. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Sozialhilfeträger auf die übertragenen Vermögenswerte zugreifen können.

Persönliche Wünsche

Darüber hinaus kann die Weitergabe von Vermögenswerten nur in einem Übertragungsvertrag an persönliche Bedingungen und Wünsche geknüpft werden. Durch die Berücksichtigung von Gegenleistungen kann mit einem Übertragungsvertrag daher nicht nur wie oben beschrieben die steuerliche Bemessungsgrundlage der Schenkungssteuer reduziert, sondern die übertragende Partei gleichzeitig auch für die Zukunft abgesichert werden – im Falle einer Immobilienübertragung beispielsweise über ein lebenslanges Wohnrecht oder Nießbrauchrecht.

Zwischenfazit

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich in Abhängigkeit von Ihrer persönlichen Zielsetzung völlig unterschiedliche Vertragsgestaltungen als geeignet erweisen können. Jede Vertragsform hat gewisse Vor- und Nachteile, die es im Kontext Ihrer individuellen Lebenssituation abzuwägen gilt.

Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Realisierbare Steuerersparnisse übersteigen die Aufwände zur Erstellung eines individuellen Schenkungs- bzw. Übertragungsvertrags meist um ein Vielfaches. Das Thema professionell anzugehen, zahlt sich also gleich zweifach aus.


Schenkungssteuer umgehen

Das zentrale Ziel der vorweggenommenen Erbfolge ist in den meisten Fällen, die zu zahlende Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuer zu reduzieren oder sie sogar vollumfänglich zu vermeiden.

Ob überhaupt Schenkungssteuer anfällt und wenn ja, wie viel, ist abhängig von diversen Einflussfaktoren:

  • Individuelle Vertragsgestaltung (Schenkungsvertrag vs. Übertragungsvertrag vs. Kombination aus beidem)

  • Verwandtschaftsgrad der involvierten Personen

  • Anwendbarkeit von Freibeträgen

  • Wert der zu übertragenden Vermögensgegenstände

  • Zeitpunkt der Vermögensübertragung

  • Schenkungen aus der Vergangenheit

  • Wert potenzieller Gegenleistungen

  • Bei Hausüberschreibung: lebenslanges Wohnrecht bzw. Nießbrauchrecht erwünscht?

Um Schenkungssteuer nachhaltig und rechtssicher zu umgehen, sollten Sie daher stets einen auf Ihre persönliche Lebenssituation abgestimmten Übertragungs- bzw. Schenkungsvertrag aufsetzen lassen.


Ketttenschenkung

Im Kontext der vorweggenommenen Erbfolge fällt auch immer wieder der Begriff der Kettenschenkung.

Doch was ist eine Kettenschenkung?

Eine Kettenschenkung ist eine Reihe mehrerer aufeinanderfolgender (Einzel-)Schenkungen, die vorgenommen werden, um Steuerfreibeträge optimal auszunutzen.

Ein Beispiel: Eine Ehefrau möchte ihre Immobilie mit einem Wert von 800.000 EUR auf ihren Sohn übertragen. Der Schenkungssteuerfreibetrag für Schenkungen von Eltern an ihre Kinder beträgt 400.000 EUR. Schenkt die Ehefrau die Immobilie nun ihrem Sohn, müsste dieser den über den Freibetrag hinausgehenden Schenkungswert i. H. v. 400.000 EUR versteuern.

Überträgt die Ehefrau stattdessen zunächst die Hälfte der Immobilie auf ihren Ehemann und beide verschenken anschließend ihre Immobilienhälfte an den gemeinsamen Sohn, so wird der Freibetrag von 400.000 EUR für jedes Elternteil ausgeschöpft und der Sohn erhält die Immobilie steuerfrei.

Im Zusammenhang mit Kettenschenkungen ist allerdings zu beachten, dass diese unter keinen Umständen rechtsmissbräuchlich erfolgen dürfen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Beschenkter nicht frei darüber entscheiden kann, ob er eine weitere Schenkung vornehmen möchte. Wann rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen und nicht immer eindeutig.

Es ist daher davon abzuraten, Vermögenswerte eigenständig zwischen unterschiedlichen Personen „hin und her“ zu schenken, um die gesetzlichen Freibeträge maximal auszureizen und Schenkungssteuer zu sparen. Ein solches Vorgehen kann schnell zu empfindlichen Steuernachzahlungen oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Die bessere Alternative ist ein rechtssicherer und ganzheitlicher Übertragungsvertrag, der bedarfsweise und nach juristischer Prüfung mit (Ketten-)Schenkungen kombiniert werden kann.


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